DIE HEPTNER-METHODE

Die Heptner-Methode ist ein Weg ganzheitlich zu einer idealen Stimmfunktion zu gelangen. Sie umfasst sowohl reine Stimmübungen als auch Übungen zu Bewegung, Atmung, Artikulation als auch eine psychoemotionale Herangehensweise. Sie eignet sich für Profisänger und –sprecher, die an der Hochleistung der Stimme arbeiten, gleichermaßen wie für Stimmpatienten, die wieder zu einer gesunden Stimme zurückfinden möchten.

Die Heptner-Methode ist gespeist von Erkenntnissen moderner wissenschaftlicher, pädagogischer und therapeutischer Disziplinen wie Phoniatrie, HNO-Heilkunde, Osteopathie, Physiotherapie, Feldenkrais, Alexandertechnik, Spiraldynamik, Psychotherapie, klinische Hypnotherapie und viele andere mehr. Aber auch interdisziplinärer Forschung an alltäglichen Bewegungsmustern bis hin zu verschiedenen Sportarten wie Walken, Klettern, Tauchen und Bogenschießen bereichern das multidimensionale Netzwerk um die Stimme herum. Hier spielt die Forschung sowohl für die Diagnostik und Therapie wie auch in genauer Beobachtung und stimmpädagogischer Unterstützung, Training und Coaching eine entscheidende Rolle.

Vernetzung der verschiedensten Prinzipien körperlicher Bewegungs- und Stabilisierungsmuster (LTO nach Heptner) und auch psychoemotionaler Verhaltensmuster macht die Methode gerade in den Ausbildungen (Stimme Modul I/II/III, Atemmassage I/II und Stickstrainer basic und advanced) transparent und vereinfacht das hochkomplexe Denken überraschend leicht. Vernetzung ermöglicht, selbst im Alltag Bewegungen und Handlungen zu verändern, ohne dass komplizierte Übungen täglich mühevoll trainiert werden müssen. Präzises Handwerkszeug in der Diagnostik, ein „hörendes Auge“, ein „sehendes Ohr“ und „begreifende Hände“ bieten gezielte Alternativen zu eingefahrenen Gewohnheiten.

 

Eine Methode erklärt sich am besten durch das Erleben der Arbeit selbst – aber auch ein Fachbuch kann erahnen lassen wie die Arbeit aussieht – viel Spaß bei der Lektüre:

DIMENSIONEN DER STIMME
von Michael Heptner

- ein Lehrbuch für Gesanglehrer und Stimmtherapeuten

„Dimensionen der Stimme“ bietet allen Interessierten einen faszinierenden Einstieg in das Phänomen der menschlichen Stimme. Hier werden erstaunliche Zusammenhänge aufgezeigt. Den Profi erwartet klar strukturiertes und detailliertes Wissen über das Netzwerk Stimme – von der präzisen Diagnostik bis hin zu Hochleistungsübungen.

Das Buch kann im Shop dieser Homepage bestellt werden.

Publikationen

Aus der Praxis des Funktionalen Stimmtherapeuten

Bewegungsphysiologische Grundlagen

Unter allen Themen, die mit der Stimme in Zusammenhang gebracht werden, spielt die Atmung eine zentrale Rolle. Man könnte sagen: Die Qualität der Atmung bestimmt die Qualität der Phonation. Aus biologisch-evolutionärer Sicht kann man aber mit gleichem Recht sagen: Der Kehlkopf ist ein Sekundärorgan der Atmung. Schauen wir uns in unserer Stimm-Praxis um. Ein Problem an der Stimme ob „hypo“ oder „hyper“, ob Knötchen, Reinkeödem oder Rekurrensparese, alle haben auf glottaler Ebene eine Störung der physiologischen Schließfunktion.
Der Verschluß der Glottis für die Phonation passiert durch das Zusammenspiel innerer Kehlkopfinuskeln. Für die Schließphase ist im ligamentösen Bereich bis hin zu den processus vocales der Haupt-Adduktor (m.cricoarytenoideus lateralis) und im dorsalsten (kartilagen) Anteil der Glottis die interarytenoide Muskulatur (m. interarytenoideus transversus und obliquus) zuständig. Für das Halten der Schließkraft in der adduzierten Position ist der m.vocalis zuständig. Er produziert die mediale Kompression.
Die Öffnung der Glottis für die Einatmung während des Sprechens oder auch des Singens passiert nun hauptsächlich über die Aktivität eines einzigen (paarigen) Muskels den m.cricoarytenoideus posterior (posticus). Er abduziert die processus vocales.

Einführung

Wenden wir uns nun den Stimmpatienten zu. Wir bekommen von den überweisenden Ärzten zu einem hohen Prozentsatz Diagnosen wie funktionelle Dysphonie. Manchmal gibt es noch Zusatzinformationen wie …mit sekundärer- oder auch …mit hyperfunktioneller Überlagerung oder …mit sekundärer Hyperfunktion oder … hyperfunktionelle Dysphonie oder …mit hyperfunktioneller Kompensation oder einfach nur …mit Kompensation.

Was bedeutet Kompensation in diesem Zusammenhang?

Voraussetzung für das Auftreten einer Kompensation ist fast immer die Störung der Primärfunktion eines Bewegungsorgans. Das bedeutet die Muskeln oder auch die Schleimhaut dieser Funktionseinheit sind nicht imstande ihre natürliche, ihre Primärfunktion auszuüben. Um diese Funktion, die in vielen Fällen sogar lebenswichtig sein kann, aber halbwegs zustande zu bringen springen andere meist benachbarte Muskeln oder auch Muskelgruppen ein um die mangelhaft erfiillte Aufgabe zu übernehmen. Es versteht sich von selbst, dass diese ersatzweise Organisation nicht so effizient arbeiten kann wie die primär für diese Funktion von der Natur vorgesehene Muskulatur die Aufgabe bewältigen würde. Der Tonus dieser kompensierenden Muskulatur ist in der Regel unphysiologisch erhöht und nicht in seinen synergistischen und antagonistischen Funktionen und Zusammenhängen ausbalanciert. Wir erleben diese zu hohen Spannungen in den Kompensationsmechanismen bei Stimmstörungen in einem verengten Rachen, einem rückverlagerten Stimmansatz, in der sogenannten Taschenfaltenstimme, einem eher steifen Hals – Nacken – Bereich, oder auch in einem engen Kiefer um nur ein paar der auffälligsten Kompensationsmuster zu nennen. All diese Ersatzmechanismen haben die Aufgabe einen Mangel der primären Phonationsfunktion oder bei psychogen überlagerten funktionellen Stimmstörungen einen subjektiv meist unbewusst empfundenen Mangel auszugleichen.
Schaut man sich die Funktionalität der kompensierenden Muskulatur an so wird allein aus der Tatsache des unphysiologisch hohen Muskeltonus klar, dass die Beweglichkeit und damit die Effizienz der Bewegung in den synergistischen und antagonistischen Zusammenhängen z.T. extrem eingeschränkt ist.
Je höher nun der oben beschriebene Tonus der kompensierenden Muskulatur ist um so eher wirkt sich diese unsensible Erhöhung der Muskelspannung auch wieder auf das Primärorgan aus. Das zeigt sich bei einem kompensatorisch verengten Rachenraum z.B. in der Qualität der Abduktion und der Adduktion auf glottaler Ebene.

Die Qualität der Abduktion wird bestimmt von der Qualität der Einatmung

Speziell die Öffnung der Glottis, die bei einer ungestörten Stimmfunktion und einer vitalen Einatmung eine weite Abduktion erfährt, ist bei einer hyperfunktionellen Kompensation eingeschränkt. Wir hören ein Einatemgeräusch, den inhalatorischen Stridor. Aber auch die Ausatmung ist in solchen Fällen selten geräuschlos. Wir hören einen expiratorischen Stridor.

Für die Qualität der Phonation ist die Qualität der Adduktion entscheidend.

In jedem antagonistischen System ist die Qualität der agonistischen Aktion entscheidend fiir die Qualität der antagonistischen Aktion. Das bedeutet für ein Gelenk, das nach dem Prinzip von Beugen und Strecken (Öffnen und Schließen) funktioniert, dass die Qualität der beugenden Muskelaktivität die der Streckenden bestimmt und umgekehrt. Für die Phonation auf glottaler Ebene heißt das:

Für die Qualität der Phonation ist die Qualität der muskulären Organisation des Antagonismus Abduktion - Adduktion entscheidend.

Die Beobachtung, dass mit einem inhalatorischen Stridor auffallend häufig ein expiratorischer Stridor einhergeht, bringt uns auf dem empirischen Weg dahin zu vermuten, dass bei vielen Stimmstörungen mit den oben beschriebenen Diagnosen ein Mangel an Beweglichkeit in der glottalen Öffnungs- und Schließmuskulatur existiert, denn ohne die unsensible Gegenspannung der schließenden Muskulatur wäre es für die öffnende Muskulatur bei ungestörter Einatemaktivität vom Kraftaufwand her ein leichtes die Glottis ausreichend zu öffnen und damit sowohl eine geräuschlose Einatmung als auch eine geräuschlose Ausatmung zu ermöglichen.

Was passiert nun bei der Phonation, die auf eine gestörte, in diesem Fall geräuschvolle Einatmung folgt?

Ähnlich wie bei dem oben beschriebenen gestörten Antagonismus, der sich für uns in dem gleichzeitigen Auftreten des inhalatorischen und expiratorischen Stridors zeigt, hat die Störung der glottalen Einatmungsfunktion auffallend häufig die Störung der glottalen Phonationsfunktion zur Folge. Wir beobachten überdurchschnittlich oft im Zusammenhang mit einem inhalatorischem Stridor auch einen dorsalen Spalt also eine unvollständigen Adduktion besonders im Bereich der processus vocales. Die Beobachtung in der stimmtherapeutischen Praxis zeigt eine zunehmende Häufigkeit und zunehmende Lautstärke der glottal verursachten Atemgeräusche je höher die Leistungsanforderungen sind, die an den Körper gestellt werden.

Ursache und Aufgabe der Kompensation

Die Funktionale Stimmtherapie unterscheidet nun mehrere Möglichkeiten des therapeutischen Vorgehens. Sie fragt zunächst nach der Ursache des gestörten Ein- und Ausatmungsantagonismus auf glottaler Ebene. Die Antwort ist häufig in den oben beschriebenen Diagnosen selbst zu suchen. So gibt es viele Patienten mit primären Hypofunktionen glottalintern. Bei diesen Patienten ist die sekundäre Hyperfiznktion eine unphysiologische Kompensation durch die Rachenrückwand, die Zunge oder durch andere Muskeln oder Muskelgruppen, die diese Hilfsspannungen aufbauen. Alle dienen dem Zweck die Schwäche der glottalen Schließfunktion durch Verengung auch an anderen Stellen des Larynx und/oder des Pharynx zu kompensieren.
Schauen wir uns die Stimmpatienten in unserer Praxis an. Wir haben vor allem LehrerInnen, KassiererInnen, PfarrerInnen, KindergärtnerInnen, ErzieherInnen, TelefonistInnen, SängerInnen, SchauspielerInnen…
All diese Berufsgruppen haben etwas gemeinsam. Sie brauchen ihre Stimmen beruflich entweder besonders lange pro Tag, besonders laut, in körperlich ungünstigen Positionen und haben in der Situation der Nutzung der Stimme unphysiologisch wenig Bewegung. Ein Pfarrer in der Kirche steht und muss ohne körperliche und damit auch atemtechnische Unterstützung seine Stimme recht laut klingen lassen. Lehrern in der Schule geht es oft noch schlechter. Sie müssen bis zu 8 Stunden z.T. laute, teils stressige Schulklassen „mit ihrer Stimme bändigen“ und das beinahe ohne körperliche Bewegung, die Vitalität der Stimme und damit ihre physiologische Leistungsfähigkeit unterstützen würde. Die meisten Lehrer sind nicht ausreichend auf die stimmlichen Belastungen in ihrem Beruf vorbereitet. Sänger und Schauspieler mit nicht optimaler stimmlicher Ausbildung, die an kleineren Theatern, gerade zu Beginn ihrer Laufbahn viele Stimmfächer abdecken müssen, sind häufig Opfer einer chronischen Überforderung und landen in unseren Praxen.
Alle genannten Beispiele haben in der Regel gemeinsam, dass ein Ungleichgewicht besteht zwischen der körperlichen Fitness – und da ist der Kehlkopf als ein Teil unseres Körpers unbedingt mit einzubeziehen!!! – und der beruflichen Anforderung an die Vitalität und Leistungsfähigkeit der Stimme.
Als diese Zusammenhänge durchschauende Therapeuten empfehlen wir begleitend zu den stimmtechnischen und atemtechnischen Übungen Sport zu treiben. Schwimmen, Joggen, Wandern sind auch stimmlich durchaus als vitalisierend anzusehen.
Die Frage nach der Ursache ist also häufig zu finden in einem Ungleichgewicht von körperlicher und damit auch stimmlicher Vitalität und phonatorischer Leistungsanforderung.
Nun gibt es aber unter diesen Stimmpatienten immer wieder versteckt einige – und es sind nicht wenige – bei denen wie oben angedeutet die stimmlichen Probleme aus einer ganz anderen Ecke kommen. Hier ist nicht die Schwäche der Stimme die Ursache für die Kompensation sondern ein an anderer Stelle liegendes Problem.

Welche Schwäche wird durch die geräuschvolle Atmung kompensiert?

Oft stellt sich gar nicht die Frage nach der Ursache oder der Aufgabe der Kompensation. Die Frage muss vielmehr lauten: Was wird kompensiert? Welche muskuläre oder organisatorische Schwäche wird kompensiert? Wofür wird die Glottis so unphysiologisch missbraucht?
Wie oben bereits erwähnt wird der inhalatorische Stridor oft dann lauter, wenn die körperliche Anstrengung sich erhöht. Das hängt häufig damit zusammen, dass der Ganzkörpertonus für die zu leistende Arbeit unsensibel hochgefahren wird, d.h. alle Muskeln des Körpers steigern ihre Spannung um eine erhöhte Leistung zu bringen. Dabei wird bei Menschen, die nicht optimal durchtrainiert sind und souverän, differenziert und vor allem effizient mit ihrem Körper umgehen können, auch der Tonus der Ein- und Ausatmungsmuskulatur und damit der glottalen Öffnungs- und Schließmuskulatur hochgefahren. Damit ist der inhalatorische Stridor und der expiratorische Stridor durch die relative Unbeweglichkeit der Arycricoidgelenke vorprogrammiert.
Wenn nun der inhalatorische Stridor bei körperlicher Anstrengung lauter wird, dann liegt die Vermutung nahe, dass es sich vielleicht nicht nur wie oben beschrieben um einen ganzkörperlichen Prozess der allgemeinen Tonuserhöhung handelt. Vielmehr wird das Phonationsorgan Kehlkopf mit seiner glottalen Ventilfunktion als Kompensation der allgemeinen körperlichen Erschöpfung und/oder Unterspannung missbraucht. Sehr offensichtlich ist dieser Vorgang bei Patienten zu beobachten, die, wenn sie erschöpft nach der Arbeit zur Therapie kommen, bei der Bewegung des Hinsetzens erst mal die „Luft ablassen“. Mit dem Hinsetzen also dem Übergang vom Stehen zum Sitzen atmen viele Patienten deutlich hörbar aus. Wenn sie nicht durch den Mund ausatmen und im oralen Ventil ein „f ` ablassen, dann ist es häufig ein „irgendwo im Rachen“ – Gefühl von Enge, Rauheit aber auch von Kraft und Kontrolle. Das Gefühl von Kraft und Kontrolle ist aber trügerisch, denn es baut auf den Missbrauch des glottalen Ventils, das benutzt wird um durch das kontrollierte Luftablassen den Körper kompensatorisch zu stabilisieren. In der funktionalen Stimmtherapie sprechen wir vom Überdruckventil, also einer Kombination von Stimmlippen und Taschenfaltenaktivität. Je nach Kompensationsgrad kommen hier mehr oder weniger die Taschenfalten als zusätzlicher Stabilisierungsfaktor hinzu. Im Verlauf der Störung der primären glottalen Ventilfunktion stellt sich das Konzept für Bewegung mit der Zeit um. Die Taschenfalten bzw. im Vorstadium nur die Glottis mit leicht einspringenden Taschenfalten werden immer selbstverständlicher benutzt um den Körper mit seiner Aufrichtungs- und Bewegungsmuskulatur zu stabilisieren. Dieser Kompensationsmechanismus hat also ursächlich gar nichts mit einer primär oder isolierten Schließfehlfunktion, hier mit einer internen Hypofunktion zu tun sondern mit dem Zustand des Körpers allgemein.

Therapie konkret

Für uns als Therapeuten ist es immer wieder erstaunlich mit welcher Selbstverständlichkeit manche Patienten die unphysiologischsten Bewegungsmechanismen in ihren Alltag eingebaut haben. Für die Therapie entscheidend aber ist es nach der Ursache oder dem Zweck, also der Aufgabe dieser Mechanismen zu suchen. Dabei kann die Therapie der Stimmstörung oft verblüffend einfach sein und schnell vonstatten gehen, wenn die Diagnose stimmt also die funktionellen Zusammenhänge erkannt worden sind. Einmal die Ursache bzw. die Aufgabe der geräuschvollen Aus- und Einatmung gefunden wird häufig in einer einzigen Übung (aufgegeben auch als Hausaufgabe) das Problem vom Patienten sehr schnell erkannt und gelöst. Er weiß eindeutig woran er arbeiten kann.
Bei dem oben beschriebenen Beispiel, welches in unseren Stimmpraxen häufiger vorkommt als wir bei oberflächlicher Betrachtung glauben, gibt es zwei Aspekte an denen es sich lohnt therapeutisch zu arbeiten.

Bewusstmachen der Ursache der Stimmstörung

Wir erklären dem Patienten die Ursache seiner Stimmstörung. Dabei sind einige wenige funktionelle Zusammenhänge zu erklären oft hilfreich. Noch wichtiger bei dem Aspekt des Bewusstmachens ist aber in jedem Fall, dass der Patient durch Aufmerksamkeitslenkung vor der Erklärung wahrgenommen hat, dass er seine Stimme für die Stabilisierung seines Körpers missbraucht. Dafür eignen sich vergleichende Übungen wie z.B. einmal mit und einmal ohne Atemgeräusch hinsetzen oder aufstehen.

Erarbeiten eines Programms zur Stabilisierung des neuen Konzeptes.

Hier ist der wichtigste Aspekt die Klarheit der Prioritäten. Der Patient hat die Ursache seiner Stimmstörung verstanden. Das bedeutet er muss sich konsequenterweise daran halten das alte Muster loszulassen und das neue, welches in der Regel zunächst körperlich deutlich anstrengender ist neu zu trainieren.

Umsetzung

Lautlose Atmung

Bei einigen Patienten, bei denen das Konzept des kompensatorisch bedingten Missbrauchs der Glottis noch nicht so einbetoniert ist, reicht nicht selten die Hausaufgabe aus so oft wie möglich daran zu denken bei welcher körperlichen Bewegung auch immer lautlos ein- und auszuatmen. Die meisten Patienten klagen nach kurzer Zeit schon über Muskelkater in der Atmungsmuskulatur, im unteren Halsbereich oder auch in der ein oder anderen Bewegungsmuskulatur des Rumpfes. In der Regel ist das ein sehr gutes Zeichen für die Tatsache, dass das Konzept sich verändert und die primär für die Bewegungen vorgesehene Muskulatur beginnt unabhängig zu arbeiten. Hier kann es hilfreich sein dem Patienten schon vor Auftreten des Muskelkaters die Bedeutung dessen zu erklären. Es hilft Beunruhigung zu vermeiden und gibt mehr Sicherheit im Bewusstsein für neu erlernte Körperbewegungen.

Rhythmus

Bei den „einbetonierteren Konzepten“ ist es notwendig zusätzlich auch noch Übungen zur Flexibilisierung der glottalen Schließ- und Öffnungsfunktion bei Phonation zu erarbeiten. Leichte federnde Bewegungen in Verbindung mit einem reflektorischen Einsatz (glottisschlagfreies staccato) wie es viele Übungen aus der Funktionalen Stimmtherapie zum Thema Rhythmus gibt, eignen sich besonders gut.

Berührung

Manche Stimmpatienten haben im Laufe des Missbrauchs ihres Kehlkopfventils eine für die Stimme zentrale Funktion mehr oder weniger verloren. Hier steht das Thema „Berührung“ nicht mehr als ein zentrales Parameter auf der Prioritätenliste, das die Qualität der Phonation bestimmt.

Die Qualität der Berührung der Schleimhaut auf den Stimmlippen bestimmt die Qualität der Schleimhautschwingung. Über den biopneumatischen Regelkreis werden dadurch wiederum Atmungs-, Artikulations- und rückwirkend die glottale Schließfunktion in ihrer Qualität bestimmt.

Das Thema „Berührung“ muss also bei diesen Patienten mit in die Therapie einbezogen werden. Dieses Thema kann man verbalisieren. In der Regel ist es aber viel einfacher und direkter in seiner Wirkung wenn man entweder Eigenberührung mit der Außenhaut (Hand streichelt Hand oder Wange oder Arm oder…) bei Phonation anleitet oder direkt auf glottaler Ebene auf das Thema Berührung zusteuert. Dazu eignen sich Übungen zum glottalen Luftfluss (Tönen auf „w“ oder anderen stimmhaften Frikativen).
Für den Erfolg einer solchen Therapie ist es extrem wichtig zu verstehen, dass tradierte Übungen zur Stimmkräftigung an der Ursache vorbei sehen und somit den Kern des Problems nicht berühren. Das Thema lautet: Berührung auf glottaler Ebene als ein die Qualität und Leistungsfähigkeit steigerndes Parameter zu erleben und zu integrieren. Dabei passiert dieser Prozess beim Patienten Gott sei Dank fast immer unbewusst. Das erleichtert unsere Aufgabe und fiihrt in der Regel beim Patienten sogar schneller und effizienter zum Ziel.

Abschließende Gedanken

Eine Stimmstörung kann die verschiedensten Ursachen haben. Auffällige Begleiterscheinungen wie z.B. ein inhalatorischer oder auch expiratorischer Stridor geben mit anderen Auffälligkeiten in körperlichen Bewegungen einen Hinweis auf die eigentlichen Ursachen einer Fehlfunktion in unserem Phonationsorgans Kehlkopf. Diese können an Stellen im Körper liegen, an die wir auf den ersten Blick nicht so schnell denken würden. Die Daumensattelgelenke, Sprung- bzw. Fußgelenke, Atlasgelenk, die HWS aber auch Muskeln wie der Unterschenkelstrecker, Zehenheber, LWS-Muskulatur, die senkrechte Bauchmuskulatur… sind nur wenige Bereiche unseres Körpers, die bei einer Fehlfunktion ob hypo oder hyper, ob funktionell oder organisch gestört wiederum bestimmte Auswirkungen auf die Stimme haben.
So wird deutlich wie wichtig ein genaues Hinschauen unsererseits, also eine differenzierte logopädische Diagnose ist. So kann sich die Stimmtherapie enorm effizient und dadurch zeit-, geld- und kräftesparend gestalten.

veröffentlicht 11/2003 in der Fachzeitschrift L.O.G.O.S.

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